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Eine Frage der Versicherung (BNP PARIBAS, 28.11.2024)
Die Versicherungsbranche steht vor grossen Herausforderungen. Allein die Zunahme der Unwetterkatastrophen lässt die Frage nach bezahlbaren Policen aufkommen. Dennoch sind viele Versicherungsaktien an der Börse attraktiv bewertet.

Die Versicherungsbranche steht vor grossen Herausforderungen. Allein die Zunahme der Unwetterkatastrophen lässt die Frage nach bezahlbaren Policen aufkommen. Dennoch sind viele Versicherungsaktien an der Börse attraktiv bewertet.

 

Das hat man in Spanien so noch nicht gesehen. Normalerweise ist das Land für seine heissen Sommer und milden Herbst und Winter bekannt, nun fielen Ende Oktober in der Region Valencia in kurzer Zeit riesige Regenmengen vom Himmel. So viel, dass sich übliche Rinnsale in reissende Flüsse verwandelten, Kanalisationen überflutet, ganze Strassenzüge weggespült wurden. Am Ende waren unzählige Häuser, Industrieanlagen und Infrastruktur beschädigt oder gar völlig zerstört.

Geht es nach der Einschätzung von Experten, werden sich solche Unwetterkatastrophen in Zukunft häufen, auch in Spanien. Weil das Klima immer wärmer wird, kann die Luft mehr Wasser aus dem Mittelmeer, das sich ebenfalls aufheizt, aufnehmen. Kommen dann noch andere Faktoren hinzu, ist die Katastrophe perfekt.

 

Wie hoch der aktuelle Versicherungsschaden in Spanien sein wird, ist noch nicht ganz sicher. Der Gesamtschaden wird wohl im höheren Milliardenbereich liegen, sagen Beobachter. Damit kommt auch auf die Versicherungsbranche eine grosse Herausforderung zu. Der Verband der spanischen Versicherungsunternehmen rechnet damit, dass die Assekuranzunternehmen so viel Geld wie nie zuvor an Versicherte auszahlen müssen. Anfang November waren bei den Versicherungen mehr als 116‘000 Anträge auf Schadenserstattung eingegangen.

Auf die Schadenssummen werden die Versicherungskonzerne reagieren müssen, mit steigenden Beiträgen für die Versicherten, daran dürfte wohl kein Weg vorbeiführen, sagen Branchenkenner. Das Wechselspiel aus höheren Schäden und steigenden Beiträgen ist aber nicht unendlich fortsetzbar. Schon jetzt fordern Experten eine Deckelung, damit die Versicherungspolicen auch bezahlbar bleiben. Um die Beiträge in Schach zu halten, werden auch öffentlich finanzierte Beitragsmodelle besprochen. Eine konkrete Lösung ist aber noch nicht in Sicht.

 

Die Digitalisierung als Chance und Risiko

Die Versicherungsbranche steht auf jeden Fall vor grösseren Umwälzungen. Neben der Verschärfung des Wetters ist das auch die Digitalisierung. Das Digitalzeitalter ist für die Versicherungsbranche eine Herausforderung und eine Chance zugleich. Herausforderung, weil die Konkurrenz schlichtweg zunimmt. Selbst Amazon ist in das Versicherungsgeschäft eingestiegen. Noch tritt der Online-Versandhausgigant nur als Makler auf und bietet Policen von bekannten Versicherungsunternehmen an, doch daraus könnte eines Tages mehr werden, sagen Beobachter.

Chance, weil hochwertige qualitative Angebote durchaus von der Kundschaft geschätzt und gerne auch bezahlt werden. Gebührenpflichtige Zusatzleistungen sind am Versicherungsmarkt ein Trend, das zeigen aktuelle Erhebungen etwa aus Grossbritannien. Dort bieten Versicherungen Hausbesitzern kostenpflichtige digitale Dienstleistungen an, mit denen etwa Wasserschäden vorhergesagt und somit vermieden werden können. Hilfe bei der Vorsorge, bei der Reparatur von Schäden, bei der Wiederbeschaffung und der Katastrophenplanung – die Versicherungskonzerne verlassen damit ihren traditionellen Geschäftsbereich der reinen finanziellen Absicherung.

 

Versicherungsaktien sind attraktiv

Doch das ist nicht der einzige Grund, warum Versicherungsaktien trotz eines herausfordernden Umfeldes interessant sind. Es ist auch die Bewertung der Papiere, die aufhorchen lässt. Die im STOXX Europe 600 Insurance Index gelisteten Versicherungsunternehmen etwa weisen im Schnitt eine Dividendenrendite von über fünf Prozent auf. Beim Kurs-Gewinn-Verhältnis, dem KGV, das gut für eine Ersteinschätzung taugt und den Gewinn eines Unternehmens in Bezug zu seinem Börsenwert setzt, liegen die meisten Versicherungskonzerne entweder im einstelligen oder nur knapp im zweistelligen Bereich.

 

Das trifft auch auf die Schweizer Versicherungskonzerne zu. Zurich Insurance etwa kommt aufgrund der Analystenschätzungen für fas kommende Jahr auf ein KGV von 14, was für heimische Verhältnisse eher moderat ist. Zumal, bei Zurich Insurance läuft es mit dem Geschäft sehr gut. Ursprüngliche Pläne für die Geschäftsentwicklung in der Periode 2022 bis 2025 hat man schon heute übertroffen. Ein nun neu aufgestellter Plan sieht ein starkes Wachstum vor allem im Bereich der Industrie und der Lebensversicherungen vor. Zudem sollen die Profitabilität und das Wachstum in den USA gesteigert werden.

 

Interessant sind ebenfalls Bâloise, Swiss Life und Helvetia. Sie profitieren insbesondere von der wachsenden Nachfrage nach Lebensversicherungen und Sparprodukten. Experten rechnen damit, dass weltweit das Geschäft mit Lebensversicherungen in den kommenden Jahren überdurchschnittlich zulegen wird. Die Prämieneinnahmen könnten um jährlich drei Prozent wachsen, mehr als doppelt so viel wie im bisherigen Zehnjahresschnitt. Insbesondere Swiss Life, die mit einem Marktanteil von 41 Prozent unangefochtener Branchenprimus ist, dürfte sich über die prognostizierte hohe Nachfrage nach Sparprodukten freuen. Weitere Versicherer mit bedeutenden Anteilen im Schweizer Lebengeschäft sind Helvetia und Bâloise.

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BNP__Versicherungsbranche_November2024
Steigende US-Staatsanleiehenrenditen in Sicht (Bank Julius Bär & Co. AG, 25.11.2024)
Nach Trumps Wahlsieg erwarten unsere Analysten mehr Wachstum, mehr Inflation und höhere Renditen. Für Anleger, die eine höhere Rendite anstreben, als sie US-Staatsanleihen derzeit bieten, können Reverse Convertibles auf die 10-jährige US-Staatsanleihe interessant sein.

Nach Trumps Wahlsieg erwarten unsere Analysten mehr Wachstum, mehr Inflation und höhere Renditen. Für Anleger, die eine höhere Rendite anstreben, als sie US-Staatsanleihen derzeit bieten, können Reverse Convertibles auf die 10-jährige US-Staatsanleihe interessant sein.

 

Der Markt für US-Staatsanleihen war zuletzt von grosser Unsicherheit geprägt. Nachdem die US-Staatsanleihenrenditen vor dem Beginn der Zinssenkungen der US-Notenbank (Fed) zunächst fielen, sind sie seit September in Erwartung eines sogenannten Trump Sweep, einem Wahlergebnis also, bei dem Donald Trump nicht nur die Präsidentschaft gewinnt, sondern die Republikaner auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat erlangen, gestiegen. Nach Trumps Wahlsieg erwarten Julius Bärs Analysten mehr Wachstum, mehr Inflation und höhere Renditen. Für Anleger, die diese fundamentalen Aussichten teilen und eine höhere Rendite anstreben, als sie US-Staatsanleihen derzeit zu bieten haben, können Reverse Convertibles auf die 10-jährige US-Staatsanleihe interessant sein.

Vor diesem fundamentalen Hintergrund sehen unsere Ökonomen steigende Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen. Gleichzeitig dürfte die Fed ihren Zinssenkungspfad fortsetzen, auch weil die Trump-Administration hohen Zinsen entgegenwirken dürfte.

In diesem Zusammenhang haben unsere Experten für strukturierte Produkte ein Reverse Convertible auf die 10-jährige US-Staatsanleihe zur Zeichnung aufgelegt. Das Produkt bietet einen attraktiven Renditeaufschlag gegenüber der zugrunde liegenden Anleihe und einen kleinen Sicherheitspuffer durch die Ausübungsrendite, die über unserer Erwartung für die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen in zwölf Monaten liegt. Ist die Rendite des Basiswertes am Ende der Laufzeit niedriger als die Ausübungsrendite, erhält der Anleger sein eingesetztes Kapital zurück und profitiert von einer kürzeren Duration als beim direkten Halten der zugrunde liegenden Anleihe. Liegt die Rendite des Basiswertes hingegen über der Ausübungsrendite und der Anleger erhält die zugrundeliegende 10-jährige US-Staatsanleihe physisch geliefert, wird das Portfolio des Anlegers um ein stabiles Renditepapier höchster Qualität erweitert, das als wertvolle Absicherung gegen mögliche konjunkturelle Abschwünge dienen kann.

 

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IMPRESSUM

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US-Börse vor der Wahl – welcher Kandidat ist besser? (BNP PARIBAS, 30.10.2024)
Am 5. November ist es soweit, dann wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Doch wen wird die US-Börse am Ende mehr mögen, Harris oder Trump? Oder gibt es andere Faktoren, die wichtiger sind?

Am 5. November ist es soweit, dann wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Doch wen wird die US-Börse am Ende mehr mögen, Harris oder Trump? Oder gibt es andere Faktoren, die wichtiger sind?

 

Mit dem Rücktritt von Joe Biden und der Ernennung von Kamala Harris zur neuen Präsidentschaftskandidatin der Demokraten hat der Wahlkampf in den USA Schwung und eine neue Richtung bekommen. Lag der republikanische Herausforderer Donald Trump in den Umfragen unter den Wählern längere Zeit vor Joe Biden, hat sich seit Kamala Harris das Stimmungsbild scheinbar gewendet. Nun sind es die Demokraten, die siegreich aus der Abstimmung am 5. November hervorgehen könnten, auch wenn das Ergebnis am Ende aller Voraussicht nach wieder denkbar knapp ausfallen wird.

 

Unterdessen fragt man sich an der Börse, welcher Kandidat besser für den Aktienmarkt ist – Harris oder Trump? Demokraten oder Republikaner? Intuitiv würden viele auf die Republikaner tippen, denen eine grössere Wirtschaftsnähe nachgesagt wird, während Demokraten eher zu Regulierungen und Vorschriften neigen, die die Wirtschaft nicht mag. Doch so einfach ist das nicht. Ein Blick auf die Historie offenbart nämlich genau das Gegenteil. Rein rechnerisch hätten 10‘000 angelegte Dollar im Dow Jones Industrial Average in der republikanisch geführten Zeit seit 1900 eine jährliche Rendite von vier Prozent eingespielt – unter dem Strich wären so aus 10‘000 Dollar rund 100‘000 Dollar geworden, so Berechnungen der Financial Times. In den Jahren demokratischer Regierungszeiten wäre das Investment dagegen auf über 430‘000 Dollar angewachsen, was einer jährlichen Rendite von über sechs Prozent entsprechen würde.

 

US-Börse – auf die Wirtschaftspolitik kommt es an

Das verblüfft, wie kann das sein? Die bessere Performance muss Gründe haben. Ein Grund könnte in der unterschiedlichen Wirtschaftspolitik der beiden Parteien liegen. Die Demokraten setzen bei ihrer Politik eher auf den Abbau von Einkommensungleichheiten, indem sie die unteren und mittleren Einkommensschichten stärken. Haushalte mit geringerem Einkommen neigen zu grösseren Konsumausgaben, wenn sie finanziell bessergestellt werden. Das stärkt die Nachfrage, was wiederum der Börse zugutekommt. Die Aktienkurse steigen in der Regel, wenn der Konsum boomt.

Republikaner hingegen verfolgen oft eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, die vor allem Unternehmen und Investoren entlasten soll. Dadurch soll das Wirtschaftswachstum angekurbelt werden, was auch gut für die Börse ist. Doch mehr Wachstum führt noch nicht automatisch zu mehr Konsum. Wenn etwa viele Jobs im Niedriglohnbereich geschaffen werden, wächst die Wirtschaft, doch die Arbeitnehmer leben dann trotzdem nicht selten am Existenzminimum und können nur wenig konsumieren. An der Börse stösst diese Entwicklung nicht unbedingt auf Ablehnung, aber der demokratische Weg wird offenbar mehr honoriert. Das heisst jedoch nicht, dass republikanische Präsidentschaftszeiten an der Börse per se schlechter verlaufen als demokratische Kandidaturen. Unter dem Republikaner Donald Trump etwa konnte der S&P 500 von 2017 bis 2019 um rund 16 Prozent zulegen, sein Vorgänger von den Demokraten, Barack Obama, schaffte es in seinen beiden Amtszeiten nur jeweils auf rund 15 Prozent. Auch Dwight D. Eisenhower, Ronald Reagan und George Bush, alles Republikaner, schaffen es in Sachen Performance auf vordere Plätze.

 

Isolationismus und Protektionismus sind kein Neuland

Harris oder Trump, unter reinen Performancegesichtspunkten am Aktienmarkt ist die Antwort gar nicht so klar. Unklar ist auch, ob Harris für die langfristige Entwicklung der USA besser wäre, weil sie auf Dialog statt Konfrontation mit den globalen Handelspartnern der Vereinigten Staaten setzt. „Auch wenn Kamala Harris gewählt wird, ist nicht sicher, dass wir zu einer Zeit der glücklichen Globalisierung und einer starken Partnerschaft zwischen den USA und Europa zurückkehren werden“, sagt Nicolas Voinchet von BNP Paribas. Der Anlagestratege betont zudem, dass Isolationismus und Protektionismus kein Neuland für die USA sind. Die Vereinigten Staaten haben lange Zeit den Freihandel unterstützt, weil sie profitiert haben. Das hat sich geändert, nicht erst seit Trump. Auch Harris könnte auf Abschottung setzen, wenn auch nicht so radikal und umfangreich wie Trump.

Wie der Experte die Lage einschätzt und welche Börsenstrategien er favorisiert, das lesen Sie im nachfolgenden Interview.

 

Interview mit Nicolas Voinchet, Leiter Aktienthemen, BNP Paribas CIO Office

 

„Auch unter Harris gibt es keine Rückkehr zur glücklichen Globalisierung.“

Viele Anleger fürchten einen Wahlsieg von Donald Trump. Doch auch unter Kamala Harris könnten sich die USA langfristig wandeln, mehr Isolationismus statt Multilateralismus.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Herr Voinchet, in wenigen Tagen wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Diesmal könnte es sogar eine Präsidentin sein, die erste in der Geschichte der USA: Kamala Harris. Oder wird es doch wieder Donald Trump? Wie sehen Sie die aktuellen Chancen der beiden?

Nicolas Voinchet: Einige Beobachter halten einen Sieg von Kamala Harris mit einem gespalteten Kongress für wahrscheinlich (der Kongress besteht aus Repräsentantenhaus und Senat, je nach Wahlergebnis können in beiden unterschiedliche Mehrheiten zustande kommen; Anmerkung der Redaktion). Andere gehen von einem Sieg Donald Trumps und einem von den Republikanern dominierten Kongress aus. Doch die aktuellen Umfragen sind so knapp, dass es unmöglich ist, diese Frage vernünftig zu beantworten. Vor allem die Umfragen in den berühmten „Swing States“, in denen die Wahl entschieden wird, liegen alle innerhalb einer gewissen Fehlertoleranz, so das nicht klar ist, wie es ausgeht. Dies könnte eine der unentschiedensten Wahlen in der Geschichte werden, noch dazu eine der ideologisch am stärksten gespaltenen. Daher die derzeitige grosse Unsicherheit, die die Anleger zum Abwarten veranlasst.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Allgemein geht man ja davon aus, dass die Republikaner eher dazu neigen, die Staatsverschuldung zu reduzieren. Doch Trump propagiert scheinbar das Gegenteil, nämlich Steuersenkungen. Wie wird sich die Verschuldung der USA unter Trump und Harris entwickeln?

Nicolas Voinchet: Die Gemeinsamkeit der beiden Kandidaten besteht darin, dass sie weiterhin eine ehrgeizige Finanzpolitik betreiben wollen, ohne sich über die Entwicklung der amerikanischen Staatsverschuldung allzu grosse Sorgen zu machen. Das Congressional Budget Office, das für die Prüfung und Schätzung der nötigen Staatsausgaben der USA verantwortlich ist, geht davon aus, dass die US-Staatsverschuldung im Jahr 2025 zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg höher sein wird als das Bruttoinlandsprodukt des Landes, mit steigender Tendenz. Beide, sowohl Trump wie auch Harris, werden diesen Trend nicht stoppen. Trumps Priorität ist die Einführung neuer Steuersenkungen, während Kamala Harris das Defizit wahrscheinlich durch eine keynesianische Ausgabenpolitik, wie zum Beispiel den „Inflation Reduction Act“, erhöhen wird.

Aus wirtschaftlicher Sicht kann man davon ausgehen, dass das Programm von Donald Trump eher inflationär sein wird, mit einer verstärkten Kontrolle der Einwanderung in einem Umfeld der Vollbeschäftigung, höheren Zöllen und einer teilweisen Infragestellung der Unabhängigkeit der Notenbank Fed.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Trumps „Make America Great Again“ bedeutet auch eine Abschottung der US-Wirtschaft gegenüber ausländischer Konkurrenz. So hat Trump etwa ausländischen Autobauern mit erheblichen Strafzöllen gedroht, wenn sie ihre Produktion nicht in die USA verlegen. Ist das in Zeiten der Globalisierung überhaupt ein sinnvolles wirtschaftliches Konzept? Abschottung statt Öffnung?

Nicolas Voinchet: Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Die Frage, die bei dieser Wahl auf dem Spiel steht, ist, ob Antonio Gramscis Konzept der „kulturellen Hegemonie“, das seit Jahrzehnten vorherrscht und von Globalisierung, Multilateralismus und der Vorherrschaft internationaler Organisationen geprägt ist, einen brutalen Umbruch erfahren oder nur schrittweise geändert wird. Ersteres dürfte unter Trump passieren, letzteres unter Harris.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Also ein Ende der Globalisierung und des Multilateralismus, egal, wer gewinnt? Das erklären Sie uns bitte.

Nicolas Voinchet: Sehen Sie, mit der Wahl von J.D. Vance zum Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten hat sich Donald Trump für eine umfassende Umsetzung von „Make America Great Again“ entschieden, ausgehend von dem Grundsatz, dass der Niedergang der Arbeiterklasse zugunsten des reinen Konsums gestoppt werden muss, indem der amerikanische Produktionsapparat aufgewertet und die Reindustrialisierung vorangetrieben wird, notfalls eben mit Isolationismus und Protektionismus. Aber auch wenn Kamala Harris gewählt wird, ist nicht sicher, dass wir zu einer Zeit der glücklichen Globalisierung und einer starken Partnerschaft zwischen den USA und Europa zurückkehren werden.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Warum nicht sicher?

Nicolas Voinchet: Weil Isolationismus und Protektionismus auch Teil der amerikanischen Geschichte sind. Wenn die Vereinigten Staaten bei den GATT-Abkommen (das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT wurde am 30. Oktober 1947 geschlossen; Anmerkung der Redaktion) der Nachkriegszeit eine Vision des Freihandels verfolgten, so auch deshalb, weil sie damals die führende Industriemacht der Welt waren und ein Interesse an der Förderung ihrer Exporte hatten.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Also Freihandel aus Eigennutz, weil man seine Produkte exportieren wollte?

Nicolas Voinchet: Richtig. Befürworter des Freihandels sind in der Regel die Staaten, die eine hervorragende Wettbewerbsposition haben. Das Vereinigte Königreich im 19. Jahrhundert, die Vereinigten Staaten nach 1945 und heute eben China.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Und das ist jetzt in den USA anders?

Nicolas Voinchet: Ja. Die von Trump seit 2016 aufgeworfene Frage der Deglobalisierung findet vor dem Hintergrund statt, dass die Vereinigten Staaten ein Handelsdefizit mit allen ihren Wirtschaftspartnern haben, nicht nur mit China.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Man hat dennoch den Eindruck, dass bei einem Sieg vom Trump die Uhren quasi zurückgestellt werden. Mehr Öl, weniger regenerative Energien – alles soll wieder „typisch amerikanisch“ werden. Aber würden sich die USA damit nicht langfristig auch alle Wettbewerbschancen auf dem Weltmarkt verspielen?

Nicolas Voinchet: Vielleicht, aber Trump denkt da anders. Mit Trumps Aussage „We will drill, baby, drill“ wird deutlich, wie er die amerikanische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen will, mit billiger fossiler Energie.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Kommen wir mal zur Börse. Welche Branchen favorisieren Sie bei einem Sieg von Trump?

Nicolas Voinchet: Um die Veränderungen, die unter Trump passieren würden, voll abzubilden, bietet sich eine Long-/Short-Strategie an. Long in allem, was von „Make America Great Again“ profitiert, und short in allem, was bisher von der Globalisierung profitierte. Wenn Donald Trump gewählt wird, ist der kulturelle Hegemoniewechsel so gross, dass ein Long-Ansatz allein nicht ausreicht, um ihn zu erfassen. Ein Long-/Short-Ansatz ermöglicht es, die volle Tiefe zu erfassen, denn wenn es „Make America Great Again“-Gewinner gibt, wird es auch Verlierer der beschleunigten Deglobalisierung geben.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Das heisst konkret?

Nicolas Voinchet: Auf der Long-Seite könnte man Unternehmen favorisieren, die in bislang weniger profitablen Sektoren arbeiten, und denen neue Handelszölle erheblich helfen würden, etwa Zement, Stahl oder Haushaltsgeräte. Man könnte auch inländische Sektoren kaufen, die durch eine geringere Besteuerung begünstigt werden, wie etwa die Telekommunikationsbranche und das Gesundheitswesen. Schliesslich könnte man das Motto „Drill, baby, drill“ über Dienstleister im Ölsektor, US-Fluggesellschaften und inländische Autohersteller, die sich bei der Elektrifizierung bisher schwergetan haben, abdecken.

Auf der Short-Seite geht es vor allem darum Unternehmen zu verkaufen, die mit der Globalisierung florierten, jetzt aber in den überregionalen Handelsströmen gefangen sind, wie zum Beispiel einige deutsche Hersteller von Premiumautos, Luxusgüter, Fracht und Logistik. Darüber hinaus könnten Namen in Betracht gezogen werden, die Opfer der Ausweitung eines Technologieverbots in Richtung China werden könnten, wie ASML. Und dann sollte man darauf achten, was J.D. Vance diesen Sommer in Milwaukee gesagt hat: „Reject green new scam“, was wohl so viel heisst wie «Wir lehnen den Klimawandel ab, weil er ein Betrug ist». Auch wenn niemand mit einer vollständigen Aufhebung des „Inflation Reduction Act“ rechnet, könnte eine teilweise Aufhebung Unternehmen schaden, die im Bau etwa von Solaranlagen tätig sind.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Und welche Branchen favorisieren Sie bei einem Sieg von Harris?

Nicolas Voinchet: Die Bedrohung für einige Clean-Tech-Unternehmen, die mit einer teilweisen Rücknahme des „Inflation Reduction Act“ durch Trump verbunden wäre, bietet einen unmittelbaren Spiegeleffekt: Wenn die Demokraten an der Macht bleiben, ist der Sektor der erneuerbaren Energien reif für eine starke Erleichterungsrallye. Der Sektor ist nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und China gut vertreten, also bei Handelspartnern, die im Falle einer Wahlniederlage von Donald Trump ebenfalls von einer Erholungsrallye profitieren dürften.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Nun gibt es ja auch Beobachter, die den Einfluss von Wahlausgängen auf Wirtschaft und Börse grundsätzlich in Frage stellen und andere Faktoren betonen, wie etwa die Zinsen. Sie hätten, so sagen sie, einen weitaus grösseren Einfluss. Stimmt das Ihrer Meinung nach?

Nicolas Voinchet: Das ist wahr. Ich habe den Standpunkt von Larry Fink, CEO von Blackrock, gelesen, der erklärte: „Ich bin es leid, immer wieder zu hören, dass dies die grösste Wahl ihres Lebens ist. Die Realität ist, dass es auf lange Sicht keine Rolle spielt“. Ich denke jedoch, dass er sich um politische Neutralität bemüht, um sich abzusichern.

Wahlausgänge haben immer auch Konsequenzen für die Wirtschaft. Donald Trump hat mit seiner Steuerreform etwa gezeigt, dass die Staatsverschuldung ein Wirtschaftsmotor sein kann, wenn ihr Multiplikator hoch ist, was Joe Biden mit den positiven Auswirkungen des „Inflation Reduction Act“ und des „Chips Act“ auf das amerikanische BIP-Wachstum bestätigt hat.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Also sozusagen Wachstum dank neuer Schulden?

Nicolas Voinchet: Ja, wenn wie gesagt der Multiplikator stimmt.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Grosse Auswirkungen sind aber vor allem in der Weltpolitik zu befürchten?

Nicolas Voinchet: Ja, aus geopolitischer Sicht hat Donald Trump die „Thukydides-Falle“ mit China geöffnet (die Thukydides-Falle geht von einem unvermeidbaren Konflikt zwischen den USA und China aus; Anmerkung der Redaktion), die seitdem nicht mehr geschlossen werden konnte, während er seine traditionellen Verbündeten, insbesondere Japan und Europa, stark unter Druck setzte. Im Falle seiner Wiederwahl könnte sich der Konflikt mit China verschärfen und der Ton zwischen den USA und den europäischen Verbündeten rauer werden. Mit J.D. Vance steht zudem ein Nachfolger bereit, der an Trumps Erbe langfristig anknüpfen könnte.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Und bei Harris?

Nicolas Voinchet: Auch bei Harris kann es zu Konflikten kommen, auch mit Europa. Nur halt nicht so offen. Wenn ich Investoren meine Long-/Short-Strategie vorstelle, die ich im Falle eines Sieges von Trump umsetzen würde, sagen sie oft, dass sie sich diese Strategie auch unter Harris vorstellen könnten, wenn dabei der „grüne Faktor“ berücksichtigt wird. Also nicht short in Clean-Tech-Unternehmen, sondern long, aber alles andere bleibt.

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE: Herr Voinchet, danke für das interessante Gespräch.

 

 

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